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Die Apsis der Lutherkirche

Himmelfahrt in der Lutherkirche

Hinter dem Altar der Lutherkirche befindet sich eine Nische, eine sog. Apsis. In ihrem oberen Bereich ist ein Wandgemälde mit der Himmelfahrt Jesu. Dieses möchte ich in einen kurzen kunstgeschichtlichen Zusammenhang stellen und daraus Hinweise für eine theologische Deutung ableiten. Kunst in der Kirche hat schließlich vor allem die Aufgabe, das Evangelium zu verkünden.

Die 1909 eingeweihte Lutherkirche wurde von dem Architekten Karl Börgemann entworfen. Für die Gestaltung der Apsis gelang es ihm, einen seinerzeit bekannten Künstler zu gewinnen: Hermann Schaper aus Hannover. Schaper war inzwischen recht bekannt geworden durch die Mosaikausgestaltungen bedeutender Kirchen. Unter anderem wären zu nennen der Aachener Dom, die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin (beides Aufträge Kaiser Wilhelms II.). 

Inspirationen für unsere Himmelfahrt fand Schaper in Mosaiken des frühen Mittelalters. Wichtig sind vor allem die Darstellung desselben Themas in der Kirche Santi Cosma e Damiano in Rom und die Verklärung Christi im Katharinenkloster auf dem Sinai, beide aus dem 6. Jh. In Schapers Entwurf für die Lutherkirche ist Jesus Christus umgeben von einem Wolkenkranz, der den Blick in den Himmel freigibt. Er trägt eine festliche römische Toga, ein Kleidungsstück, das seine Würde besonders unterstreicht. Ein Heiligenschein umgibt das Haupt, ein Kreuz ist darin eingeschrieben. Die Stellung der rechten Hand zitiert direkt das genannte Mosaik aus Rom.

Auch wenn sich für Details Bezüge auf die alten Mosaiken finden, so ist Schapers Komposition selbst einzigartig. Nie zuvor ist ein Christus bei der Himmelfahrt mit so weit ausgebreiteten Armen dargestellt worden. In Rom und auf dem Sinai segnet Christus mit der rechten Hand, die linke hält eine Schriftrolle. Schapers Christus öffnet anstatt dessen beide Hände in Richtung des Betrachters und zeigt seine Wundmale, ein deutlicher Hinweis auf die Passion. Beide Hände zeigen den Segensgestus.

Worum geht es also in dem Bild, das wir sonntags im Gottesdienst vor Augen haben? Die einige Jahre später nach Vorbild von Schaper gestalteten Mosaiken in Jerusalem und Gerolstein enthalten ein Bibelwort aus Apg 1,11: „Dieser Jesus, welcher von euch ist aufgenommen gen Himmel, wird so kommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.“ Jesus tritt mit der Himmelfahrt seine Herrschaft über die Welt an (Mt 28,16- 0). Die Toga und der gelblich-goldene Hintergrund weisen darauf hin. Mit ausgebreiteten Armen zeigt er ganz demonstrativ seine Kreuzigungswunden, sein Heiligenschein trägt das Kreuzzeichen. In dem Bild steckt somit die Geschichte Jesu von der Passion über die Auferstehung bis zur Himmelfahrt. Mit seinen zum Segen ausgebreiteten Händen verdeutlicht Jesus Christus, wer er ist: Die drei ausgestreckten Finger der linken Hand weisen auf die Einheit Gottes in Vater, Sohn und Heiligem Geist hin. Die zwei gekrümmten Finger zeigen, dass Jesus Christus wahrer Mensch und wahrer Gott ist.

Jesus verspricht uns, seine Gemeinde nicht allein zu lassen, auch wenn er sichtbar nicht mehr da ist. „Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe: Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Beistand nicht zu euch. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit führen.“ (Joh 16,7.13). Jesus nimmt Abschied von den Seinen, um ihnen – vereint mit dem Vater und gegenwärtig im Heiligen Geist – unvergleichlich näher zu sein als auf seinem irdischen Weg. Wir als christliche Gemeinde stehen unter seinem Segen und haben Jesu Wort, dass Gottes Geist bei uns ist. So gesegnet richten wir unser Leben an seinem Wort aus und gestalten diese Welt mit.

Dietmar Otte